Netflix: Top-Ausblick, doch Aktie im Rückwärtsgang

Netflix steuert auf die vierte Verlustwoche in Folge zu und liegt seit Monatsbeginn bereits zweistellig im Minus. Die Aktie befindet sich damit offiziell im Korrekturmodus. Anleger trennen sich offenbar trotz solider Fundamentaldaten vom Titel – technische Gewinnmitnahmen nach der starken Rally seit April dürften dabei eine Rolle spielen. 

Mit einem Forward-KGV von 41 bleibt Netflix über dem Branchenschnitt bewertet. Für den Bewertungsaufschlag erhalten Anleger eine operative Marge von 29,5 Prozent – doppelt so hoch wie bei Walt Disney. Zudem hat das Unternehmen seine Umsatz- und Margenprognosen für das Gesamtjahr angehoben.

Noch mehr Wachstum

Netflix hat die Erwartungen für das zweite Quartal bei allen wichtigen Kennzahlen übertroffen. Der Umsatz lag bei 11,1 Milliarden US-Dollar, der Gewinn je Aktie bei 7,19 US-Dollar. Für das laufende Quartal erwartet der Streaming-Anbieter einen Umsatzanstieg von über 17,3 Prozent. Die Prognosen für das Gesamtjahr wurden ebenfalls angehoben. Der Umsatz soll auf 45,2 Milliarden US-Dollar steigen. Die operative Marge wird nun bei 29,5 Prozent erwartet. Der Nettogewinn soll erstmals die Marke von 10 Milliarden US-Dollar überschreiten. Eine verbesserte Marge würde zeigen, dass Netflix seine Kostenbasis gut im Griff hat und das Geschäftsmodell effizient skaliert.

Dollar-Entwicklung

Die Streamingbranche ist weniger direkt von der US-Handelspolitik betroffen als andere Sektoren. Dennoch spielt sie eine Rolle. Zölle könnten beispielsweise die Kosten für die Content-Produktion erhöhen. Allein im Jahr 2025 könnte Netflix bis zu 18 Milliarden US-Dollar in Inhalte investieren. Zudem besteht das Risiko, dass höhere Zölle auf Konsumgüter die Kaufkraft der Haushalte belasten und diese vermehrt bei Streaming-Abonnements sparen.

Zölle auf Unterhaltungselektronik könnten außerdem den Kauf neuer Geräte verteuern und so das Wachstum bei den Abonnentenzahlen bremsen. Eine zunehmend protektionistische Haltung der USA könnte darüber hinaus andere Länder dazu ermutigen, digitale Steuern oder nicht-tarifäre Handelshemmnisse gegen ausländische Streamingdienste einzuführen. Das könnte den Marktzugang erschweren und die Profitabilität beeinträchtigen.

Der angekündigte Handelsdeal zwischen den USA und Japan nährt zumindest die Hoffnung auf eine generelle Deeskalation und ähnliche Vereinbarungen mit anderen Regionen, etwa der EU. Für globale Streaminganbieter wie Netflix sind außerdem die jüngsten Währungsschwankungen ein zentraler Faktor. Seit Jahresbeginn hat der Dollar gegenüber dem Euro um rund 13 Prozent verloren. Das ist relevant, denn rund zwei Drittel der Netflix-Kunden leben außerhalb der USA.

Berwertungsaufschlag

Mit einem Forward-KGV von 41,0 ist Netflix deutlich höher bewertet als klassische Konkurrenten wie Walt Disney (20,8) oder Paramount+ (9,9). Das zeigt: Der Markt traut Netflix weiterhin viel zu. Die hohe Bewertung bringt jedoch auch eine entsprechend hohe Erwartungshaltung mit sich. Selbst kleine Enttäuschungen bei Umsatz oder Margen könnten überproportional abgestraft werden.

Amazon (35,9) und Apple (29,4) sind zwar ebenfalls bedeutende Player im Streaming-Markt, betreiben diesen Bereich aber nicht als Kerngeschäft. Ihre Bewertungen sind daher nur bedingt mit Netflix vergleichbar. Warner Bros. Discovery wird nach Analysteneinschätzungen in den kommenden zwölf Monaten voraussichtlich keinen Gewinn erzielen. Ein weiteres Beispiel dafür, wie herausfordernd eine profitable Skalierung im Streaming-Bereich bleibt.

Operative Effizienz

Ein Blick auf die Margen unterstreicht die starke operative Position von Netflix. Mit einer operativen Marge von 29,5 Prozent liegt das Unternehmen klar über dem Branchendurchschnitt. Das zeigt, dass Netflix seine Inhalte effizient monetarisiert und das Geschäftsmodell gut skaliert hat. Zum Vergleich:

  • Disney erzielt eine Marge von 14,9 Prozent – solide, aber stark beeinflusst durch das breit aufgestellte Geschäftsmodell mit Themenparks und Filmstudios.
  • Paramount+ kommt auf 7,8 Prozent – deutlich niedriger und ein Hinweis auf operative Herausforderungen.
  • Warner Bros. Discovery liegt mit 2,3 Prozent weit abgeschlagen und steht unter hohem Effizienzdruck.
  • Apple erzielt zwar mit 31,8 Prozent die höchste Marge, diese resultiert jedoch aus dem gesamten Ökosystem – nicht allein aus dem Streaming-Angebot.
  • Amazon verzeichnet 11,0 Prozent, wobei auch hier der Einfluss des übergeordneten Handels- und Cloud-Geschäfts zu berücksichtigen ist.

Die Zahlen belegen die dominante Marktstellung von Netflix im Streaming-Segment. Die hohe Profitabilität bietet nicht nur eine gewisse Widerstandsfähigkeit in einem volatilen Marktumfeld, sondern auch Spielraum für Innovation und Investitionen.

Aktie in der Korrektur

Die Netflix-Aktie ist seit Wochenbeginn um weitere 2,6 Prozent gefallen und steuert damit auf die vierte Verlustwoche in Folge zu. Inzwischen befindet sie sich im Korrekturmodus. Der Abstand zum Rekordhoch, das vor vier Wochen bei 1.338,88 US-Dollar markiert wurde, beträgt mittlerweile 12 Prozent. Der RSI hatte zuvor mehrfach auf eine überkaufte Marktlage hingewiesen. Seit dem April-Tief bei 819,52 US-Dollar ist die Aktie ohne nennenswerte Gegenbewegung um 63,4 Prozent gestiegen. Der aktuelle Rückgang ist daher zunächst als gesunde Korrektur zu werten.

Anleger sollten nun auf drei Fair-Value-Gap-Zonen achten: 1.162 bis 1.171 US-Dollar, 991 bis 1.080 US-Dollar und 948 bis 972 US-Dollar. Die erste Zone wurde bereits erreicht. Wie der Markt in den kleineren Zeiteinheiten darauf reagiert, dürfte im weiteren Wochenverlauf Aufschluss darüber geben, ob der Kurs dreht oder sich die Korrektur weiter vertieft. Der RSI ist inzwischen auf 57,2 gefallen, wodurch sich die technische Lage entspannt hat. Erst wenn alle drei Unterstützungszonen unterschritten werden, würde sich das langfristige Bild merklich eintrüben.

Netflix-Aktie im Wochenchart. Quelle: eToro

Konkurrenz beobachten

Für neue Anleger bleibt die aktuell hohe Bewertung ein Kritikpunkt. Entscheidend ist das Erwartungsmanagement. Netflix muss nicht nur liefern, sondern auch die selbst gesetzten – teils angehobenen – Ziele erreichen, um Kurseinbrüche zu vermeiden. Auch der Wettbewerbsvergleich ist wichtig. Die anstehenden Quartalszahlen von Walt Disney (6. August), Amazon (31. Juli) und Apple (31. Juli) werden Aufschluss über Branchentrends, Konsumverhalten und potenzielle Herausforderungen im Streaming-Sektor geben. Anleger sollten zudem die strategische Weiterentwicklung im Blick behalten. Netflix arbeitet daran, sein Geschäftsmodell breiter aufzustellen, weg vom reinen Wachstum hin zu stabileren und kalkulierbareren Erträgen.

 

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