Es war ein bewegter Mittwochvormittag für die Vonovia-Aktie. Nach einem freundlichen Start rutschte der Kurs zunächst ins Minus, nur um sich am Mittag wieder bis nahe an das Tageshoch heranzuarbeiten. Anleger reagierten auf die neuen Geschäftszahlen und bewerteten sie mit einer Mischung aus Erleichterung und Vorsicht. Operativ überzeugt Vonovia, doch das schwierige Branchenumfeld könnte eine Bremse bleiben.
Starker Zuwachs beim Free Cashflow
Das bereinigte EBITDA aus dem Vermietungsgeschäft stieg in den ersten neun Monaten 2025 um 2,5 Prozent auf 1,847 Milliarden Euro (Vorjahr: 1,802 Milliarden Euro). Angesichts des anspruchsvollen Marktumfelds ist das ein robustes Ergebnis und zeigt, dass Vonovia operativ auf Kurs bleibt. Auch das bereinigte EBT legte um 6,8 Prozent auf 1,456 Milliarden Euro zu, ein Hinweis auf Effizienzsteigerungen und konsequentes Kostenmanagement.
Besonders positiv fällt der operative Free Cashflow ins Gewicht, der um 27,4 Prozent auf 1,475 Milliarden Euro wuchs. Das ist ein starkes Signal für stabile Mittelzuflüsse und eine verbesserte Liquiditätslage. Gleichzeitig investierte Vonovia kräftig. Die Ausgaben stiegen um 29 Prozent auf 1,352 Milliarden Euro, davon 590,5 Millionen Euro für Modernisierungen und 200,9 Millionen Euro für Neubauten. Das ist ein klares Bekenntnis zur langfristigen Entwicklung des Portfolios.
Auch im Servicegeschäft legte das Unternehmen zu. Die Umsätze im Wartungs- und Modernisierungsbereich stiegen um rund 8 Prozent auf 565,1 Millionen Euro. Zudem zeigte Vonovia anhaltende Bautätigkeit. Im Berichtszeitraum wurden 1.555 Wohnungen fertiggestellt und der Bau von weiteren 1.600 Einheiten begonnen. Ein Zeichen für kontinuierliche Expansion trotz herausfordernder Rahmenbedingungen.
Strukturelle Herausforderungen
In Deutschland herrscht weiterhin ein massiver Wohnungsmangel, der sich durch die zu geringe Neubautätigkeit und den Rückgang der Baugenehmigungen weiter verschärft. Laut einer Prognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) werden bis 2030 jährlich rund 320.000 neue Wohnungen benötigt, um den Bedarf zu decken. Davon ist man aktuell weit entfernt. Im Jahr 2024 wurden lediglich 251.900 Wohnungen fertiggestellt, ein Rückgang von 14,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Auch bei den Baugenehmigungen zeigt sich ein klares Defizit. Im August wurden nur rund 15.800 neue Wohnungen genehmigt, während der Durchschnitt zwischen 2023 und 2025 bei über 20.000 lag. Der Trend weist damit eindeutig nach unten.
Das Kaufpreis-Miet-Verhältnis ist im zweiten Quartal 2025 auf 129,81 gefallen, nach fast 152 im Jahr 2022. Das zeigt, dass Mieten derzeit schneller steigen als Kaufpreise. Wohneigentum wird also im Verhältnis günstiger, während die Belastung für Mieter weiter zunimmt.
Seit 2021 haben sich die Kosten für den Neubau traditioneller Wohnhäuser um rund ein Drittel erhöht. Diese stark gestiegenen Baukosten bleiben ein strukturelles Risiko für den Immobiliensektor. Zwar wirken die inzwischen wieder niedrigeren Zinsen in Europa positiv, sie können die Entwicklung aber nur teilweise ausgleichen.
Die EZB hat ihren Zinssenkungszyklus höchstwahrscheinlich beendet. Der Leitzins liegt aktuell bei 2 Prozent, steuert aber lediglich die kurzfristige Liquidität. Die Bauzinsen orientieren sich dagegen an langfristigen Renditen, und die zehnjährigen Bundesanleihen notieren derzeit bei 2,65 Prozent. Anleger verlangen angesichts der wachsenden Staatsverschuldung, politischer Unsicherheiten und des höheren Finanzierungsbedarfs einen Risikozuschlag.
Immobilienaktien bleiben moderat bewertet
Im Vergleich zu Wachstumsbranchen weisen Immobilienkonzerne typischerweise niedrigere Forward-KGVs auf. Sie gelten als zinsabhängig und zyklischer, was die Bewertungsunterschiede erklärt. Auffällig ist die enge Bewertungsspanne im Sektor. Der Markt bewertet die großen Player relativ homogen, es gibt keine extremen Ausreißer.
Vonovia (13,3) liegt leicht über dem Durchschnitt, während Deutsche Wohnen (8,7) deutlich niedriger bewertet ist. LEG Immobilien (11,5) und Aroundtown (11,8) bewegen sich nahe am Mittelwert der vier Unternehmen. Insgesamt wirken die Bewertungen günstig, spiegeln jedoch auch geringe Wachstumsfantasie wider. Die Märkte preisen derzeit keine starken Gewinnsteigerungen ein, vielmehr rechnen Anleger mit Stabilität statt Dynamik.
Qualität der Gewinne
Die EBIT-Margen der letzten zwölf Monate zeigen ein sehr uneinheitliches Bild. Vonovia liegt mit 17,5 Prozent auf einem soliden, aber unterdurchschnittlichen Niveau. Der Durchschnitt der vier großen Immobilienunternehmen beträgt rund 28,8 Prozent. Deutsche Wohnen weist mit –5,8 Prozent eine negative Marge auf und gilt damit operativ als angeschlagen.
Deutlich besser präsentieren sich Aroundtown und LEG Immobilien mit 61,1 bzw. 42,5 Prozent. Das sind Werte, die auf den ersten Blick beeindruckend wirken. Doch Anleger sollten hier genau hinsehen. Entscheidend ist die Qualität der Gewinne. Also, ob sie aus dem laufenden Vermietgeschäft stammen oder aus Bewertungs- und Verkaufseffekten.
Gerade Aroundtown ist kein klassischer Wohnungsvermieter wie Vonovia oder LEG, sondern ein Immobilien-Investmentunternehmen, das regelmäßig Objekte kauft, entwickelt und wieder verkauft. Dadurch entstehen zwar hohe Margen, diese sind jedoch nicht ausschließlich operativ bedingt – und somit weniger nachhaltig.
Vonovia vs. DAX
Vonovia bleibt ein klarer Underperformer. Die Aktie des Immobilienkonzerns liegt im laufenden Jahr rund 13 Prozent im Minus, während der DAX etwa 20 Prozent im Plus notiert. Es handelt sich dabei nicht nur um eine kurzfristige Schwäche, die Aktie bleibt auch langfristig deutlich hinter dem Gesamtmarkt zurück. Seit dem Rekordhoch von 58,76 Euro im Jahr 2020 hat sich der Kurs mehr als halbiert.
Im Jahr 2023 fiel die Aktie zeitweise bis auf 15,27 Euro, ein Minus von über 70 Prozent gegenüber dem Allzeithoch. Seit Jahresbeginn haben Käufer mehrfach versucht, den Kurs über die Widerstandszone zwischen 29,45 und 30,40 Euro (Fair Value Gap) zu heben, bislang ohne Erfolg. Nur ein nachhaltiger Ausbruch per Schlusskurs über diese Zone könnte eine echte Erholung einleiten.
Auf der Unterseite bleibt der Bereich um 24 Euro entscheidend. Er hat seit März 2024 mehrfach stärkere Ausverkäufe verhindert. Sollte die Zone halten, könnte sich hier ein möglicher „dreifacher Boden“ als Basis für eine Erholung herausbilden. Fällt die Aktie jedoch darunter, rückt die nächste Unterstützungszone zwischen 20,95 und 22,83 Euro (Fair Value Gap) in den Fokus.

Vonovia im Wochenchart. Quelle: eToro
Turnaround-Chance
Für Anleger bleibt Vonovia ein solider, aber zyklischer Wert. Die operativen Zahlen überzeugen, doch hohe Baukosten, Zinsen und das schwache Marktumfeld könnten Grenzen setzen. Kurzfristig dürften Schwankungen anhalten. Wichtig bleiben die Marken bei 24 und 30 Euro. Langfristig könnten jedoch sinkende Bauzinsen und der Wohnungsmangel allgemeinen Rückenwind geben.
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